Bedeutung von Wohnsitzen der Familien für die Familienforschung

Wohnsitze von Einwohnern mit ihren Liegenschaften, Häusern, Straßen und Hausnummern sind eine wichtige Ergänzung zur genealogischen Dokumentation der dort wohnenden Familien. Sie helfen manchmal dabei, offene Fragen zur Herkunft von Personen oder auch interne Familienzusammenhänge und Erbfolgen über die Generationen hinweg zu erkennen.
Die meisten Genealogieprogramme lassen heute die Wohnsitzangabe als ergänzende Information zu den gespeicherten Personen zu. 

Normalerweise werden solche Daten in Katasterplänen, Kaufvertragsunterlagen, Erbschaftsverträgen,  Einwohnerlisten aus Volkszählungen oder auch aus Steuerlisten der Gemeinde geführt. Überall dort, wo solche Daten nicht zugänglich oder nicht mehr vorhanden sind, müssen Sekundärquellen als Ergänzung zur Hilfe genommen werden. Eine wichtige Sekundärquelle für derartige Angaben stellen die Kirchenbücher der katholischen und evangelischen Kirchengemeinden dar.

Systematik zur Dokumentation von Wohnsitzen in Neustadt zwischen 1800 - 1945

Leider war es bisher nicht möglich, eine stimmige Primärquelle zur Vergabe von Hausnummern für die Wohnsitze in Neustadt zu finden.
Im folgenden wird deshalb ein  Verfahren vorgestellt, mit dem die Wohnsitze aus Sekundärquellen ermittelt worden sind.
Zielsetzung war, eine Konkordanz über die unterschiedlichen Quellen in Form einer Zuordnungstabelle zu entwickeln, die alle relevanten Informationen wie Flurstück-Nummern, Hausnummern, Straßenbezeichnungen und straßenbezogene Hausnummern enthält. Die durchgeführte Wohnsitzanalyse für Neustadt erstreckte sich auf den Zeitraum 1830-1945. Für diesem Zeitraum wurden gemäß der vorstehenden Graphik folgende Quellen ausgewertet.

Bild: Quellen zur systematischen Analyse der Wohnsitze in Neustadt

Insgesamt wurden 8 Sekundärquellen dahingehend analysiert, ob darin die Wohnsitze zu den Personen angegeben worden sind. Der Zeitpunkt des erstmals belegbaren Vorkommens in den Quellen wurde im Meilensteinplan festgehalten. 

Blau: ohne Angabe der Haus-Nr.alt:
1. historische Ortskarten 1667-1735
2. Liegenschaftskarten aus 1807-1846
3. katholische Kirchenbücher von 1677-1830

Grün: mit Angabe der Haus-Nr.alt:
4. katholische Kirchenbücher von 1830-1900
5. evangelische Kirchbücher von 1854-1921
6. Volkszählung in Neustadt 1834
7. standesamtliche Urkunden von Neustadt 1875-1950
8 Brandkataster aus den Jahren 1894-1895

Die Quellen sollen im folgenden etwas näher beschrieben werden:

Quelle 1: Historische Ortskarten 1667-1735
In den frühen historischen Ortskarten von Neustadt sind keine Informationen zu Einwohnern und deren Wohnsitzen enthalten

Bild: Landkarte von Neustadt aus 1695 - aus Nova Civitas Neustadt 2004
Bild: Landkarte von Neustadt aus 1760 - aus Nova Civitas Neustadt 2004


Quelle 2: Liegenschaftskarten aus 1807 und 1846

Frühe Liegenschaftskarten von Neustadt aus 1807 und 1846 enthalten nur die Flurstücknummer des Grundstücks aber keine Hausnummern. In der Karte von 1807 ist zusätzlich der Eigentümer des Flurstücks vermerkt. Sie sind trotzdem als Aufsatzpunkt für die Analyse der Wohnsitze wichtig.
Als Wohnsitzinformation kann neben der Flurstück-Nummer noch die damals genutzte Gebietsbeschreibung genutzt werden.
Neben der innerhalb der Stadtmauer liegenden Kernstadt wurden noch die Gebiete vor dem Momberger Tor, vor dem Alsfelder Tor, am Allendorfer Weg, am Niederkleiner Weg, am Momberger Weg genutzt.

Bild: Ausschnitt aus der Liegenschaftskarte 1807 mit Flurstücknummern und Namen der Eigentümer
Bild: Ausschnitt aus der Liegenschaftskarte 1848 mit Flurstücknummern ohne Namen der Eigentümer

Nachfolgend ein Ausschnitt aus der transkribierten Excel-Tabelle zur ersten Liegenschaftskarte von Neustadt aus dem Jahr 1807.
Die Informationen zur Flurstück-Nummer und den jeweiligen Eigentümern aus der Karte wurden um die damals verwendete Gebietsbezeichnung in Neustadt ergänzt. Das waren die Kernstadt innerhalb der Stadtmauer, das Gebiet vor dem Momberger Tor, das Gebiet vor dem Alsfelder Tor,
die Niederkleiner Straße, der Allendorfer Weg und der Momberger Weg

Bild: Auszug aus der Liegenschaftskarte 1807 für Neustadt - Flurstücke der Eigentümer Faber und Ruhl

Die transkribierten Flurstücke mit ihren Eigentümern wurden soweit als möglich mit genealogischen Informationen aus dem OFB-Neustadt validiert und in der Eigentümerspalte ergänzt. Die Geburtsdaten der Eigentümer sind ein Beleg für den teilweise durchgeführten Abgleich. Hier wird demnächst noch weiter gearbeitet. Interessierte Leser können sich das Ergebnis dieser transkribierten Karte aus 1807 in den beigefügten PDF-Dateien ansehen.

1. Link: Liegenschaftskarte 1807 Neustadt – sortiert nach Flurstück-Nummern

2. Link: Liegenschaftskarte 1807 Neustadt – sortiert nach Eigentümern der Flurstücke

Quelle 3:  Katholische Kirchenbücher 1667-1830
In den ersten drei katholischen Kirchenbüchern KB1-KB3 sind leider keine Angaben zu Wohnsitzen der Personen enthalten.

Quelle 4:  Katholische Kirchenbücher ab 1830-1900
Die Tauf- und Sterbeurkunden der katholischen Kirchenbücher KB4 und KB5 enthalten erstmalig auch Angaben zu den Wohnsitzen der Personen. Ab 1870 werden vereinzelt zusätzlich auch erste Gebiets- und Straßennamen angegeben. Der Wohnsitz wurde über die damalige Haus-Nr.alt des Bewohners protokolliert. 

Bild: Taufurkunden aus dem katholischen Kirchenbuch 1835 mit Wohnsitzangabe (Haus-Nr.alt)

Die zwei Beispiele von Taufeinträgen aus dem katholischen Kirchenbuch KB4 (1830-1865) zeigen beide die Haus-Nr.alt als Wohnsitzangabe.

Nr. 325:
Haus-Nr.alt: 135
geb. 15.08.1835 Maria Clara Hock

Nr. 326:
Haus-Nr.alt: 215
geb. 13.09.1835 Johann Heinrich Stieler  

Quelle: Katholische Kirchenbücher von Neustadt online unter https://data.matricula-online.eu

Quelle 5:  Evangelische Kirchenbücher ab 1854-1928
Evangelische Tauf-, Heirats- und Sterbeurkunden wurden zwischen 1830-1853 in den katholischen Kirchenbüchern mitgeführt.
Ab 1854 hat dann die evangelische Gemeinde ihre Kirchenbücher selbständig geführt. Sie enthalten ebenfalls eine Wohnsitzangabe über diese Haus-Nr.alt.

Bild: Taufurkunden aus dem evangelischen Kirchenbuch 1865 mit Wohnsitzangabe (Haus-Nr.alt)

Die zwei Beispiele von Taufeinträgen aus dem evangelischen Kirchenbuch zeigen beide die Haus-Nr.alt als Wohnsitzangabe. Zusätzlich dazu wurden um 1865 teilweise schon Gebiets- und Straßenbezeichnungen wie „Allendorfer Weg“ oder „Struthfeld“ benutzt.

Nr.53:
Allendorfer Weg, Haus-Nr.alt: 329
geb. 29.03.1865 Theodor Schenke

Nr.54:
Struthfeld, Haus-Nr.alt: 128 1/8
geb. 31.03.1865 Gustav Jacob Henkel.

Quelle: Evangelische Kirchenbücher von Neustadt online unter https://www.archion.de

Quelle 6: Volkszählung in Neustadt im Jahr 1834

Bild Volkszaehlung Neustadt 1834
Bild: Volkszählung Neustadt in 1834

In der am 09.03.1834 durchgeführten Volkszählung in Neustadt wurden 345 Familien mit insgesamt 1523 Personen auf 18 Seiten erfasst.  Sie wurde vom Magistrat der Stadt Neustadt (Bgm. Reichenbach/Garg) unterschrieben. 
Die 1523 Personen erscheinen zunächst etwas wenig, da die Bevölkerung in der damaligen Zeit mit 2000 geschätzt worden war. Das kann jedoch unter Umständen mit den gerade zu dieser Zeit einsetzenden Auswanderungen nach Amerika zusammenhängen.

Die Tabelle der Volkszählung 1834 wurde komplett nach Excel transkribiert und soweit als möglich mit den genealogischen Daten des OFB Neustadt abgeglichen und validiert. Die dabei ergänzten Einträge sind in der Farbe grün gehalten.
Von den angegebenen Familien  konnten über 97 % genealogisch mit den Einträgen im OFB Neustadt validiert werden. 8 Familien sind momentan noch offen.

Die Liste ist tabellarisch nach Hausnummern, der sog. Haus-Nr.alt gegliedert. Diese Haus-Nr.alt wird sich im weiteren Verlauf der Untersuchungen als wichtigste Bezugsgröße für die systematische  Wohnsitzanalyse herausstellen.

Hier ist ein Link zu dieser Exceltabelle: Ergebnisse der Volkszählung 1834 in Neustadt_v2.0

Quelle 7: Standesamtliche Nachrichten Neustadt ab 1875 ff
Die standesamtlichen Urkunden von Neustadt enthielten von 1875-1890 die Haus-Nr.alt als Wohnsitzangabe. Ab etwa 1890 wurden dann Straßennamen eingeführt; zuerst in Kombination mit der früheren Haus-Nr.alt, später dann mit straßenbezogenen Hausnummern.
Quelle:  lagis-hessen.de  oder  arcinsys.de/archive

Quelle 8:  Brandkataster Neustadt 1894-1895
Die beiden Brandkataster von 1894-1895 liefern wichtige Ergebnisse zu den versicherten Häusern und damit zu den Wohnsitzen der Eigentümer, da dort sowohl die Haus-Nr.alt als auch die neu eingeführten Straßenbezeichnungen eingetragen sind.
Bei dieser 1. Generation von Straßennamen ab 1894 wurden die Häuser noch willkürlich ohne die heute bekannte Systematik durchnummeriert.
In einer 2. Generation ab 1916 wurde die Nummerierung dann auf das bis heute bekannte Prinzip (links=ungerade / rechts= gerade) Hausnummern umgestellt. In der Nazi-Zeit 1933-1945 wurden ein paar Straßen zu Ehren Adolf Hitler für einige Jahre umbenannt (z.B. Lehmkaute-> Adolf-Hitler-Straße, Alsfelder Straße->Horst-Wessel-Straße, etc.). Das wurde dann 1945 wieder aufgehoben.
So konnte es sein, dass das gleiche Haus in den Jahren 1894-1945 mehrfach eine neue Straßenbezeichnung und Hausnummer bekommen hat. Dies zeigt die Problematik auf, die bei einer zeitlichen Überleitung der Wohnsitze entstehen kann.

Hier die transkribierte Excel-Tabelle im PDF-Format für das 2. Brandkataster 311 aus 1894-1895:
Link: Brandkataster 311 aus 1894-1895 für Neustadt – Sortiert nach Haus-Nr.alt 

Auf Basis dieser Quellen 1-8 wurde in aufwändiger Arbeit eine  Zuordnungstabelle zwischen der durchgängig verwendeten Haus-Nr.alt und später eingeführten Straßennamen (Generation 1 und Generation 2) mit ihren straßenbezogenen Hausnummern entwickelt.
Das stellt eine tragfähige Basis für die zukünftige Wohnsitzanalyse in Neustadt dar.
Als Referenzpunkte wurden die Familien der Volkszählung in 1834 und Beispieldaten aus dem Brandkataster 1894-1895 einschließlich der handschriftlichen Nachträge aufgeführt. Die Eigentümer sind über den Abgleich mit den Genealogiedaten aus dem OFB Neustadt validiert.

Die nachstehende Zuordnungstabelle Wohnsitze ist nach der Haus-Nr.alt sortiert: 
Zuordnungstabelle Wohnsitze

Detaillierte Ergebnisse dieser Analyse sind in der Schriftenreihe zur Familiengeschichte von Neustadt (Hessen) veröffentlicht. 
Im Folgenden sind auszugsweise für wichtige Quellen einige Ergebnisse dieser Arbeit wiedergegeben.

Titel:

Systematik zur Dokumentation von Wohnsitzen in Neustadt (Hessen) zwischen 1800-1945

Autoren: Dr. Hartwig Faber, Joachim Ruhl 
Versions-Nr. 1.0
Anzahl Seiten: 94
Sprache: deutsch
Erscheinungsjahr: 2022
Archiv-Nr: 
Dieses Dokument ist online verfügbar
Hier ist der Link: Systematik zur Dokumentation der Wohnsitze

Neustädter Hausnamen

In Neustadt gab es im 18-19. Jahrhundert zahlreiche Großfamilien, die den gleichen Familiennamen trugen. Typische Beispiele waren Gies, Bieker, Faber, Ruhl, Schmitt, Zinser, etc.. Eine Unterscheidung der einzelnen Familienzweige war oft sehr schwierig. Das hat zur Einführung von sog. Hausnamen geführt.
Über die Neustädter-Hausnamen hat Herbert Hohmann bereits in 1986 eine ausführliche Dokumentation angefertigt, deren Nachdruck von Joachim Ruhl in 2021 im Rahmen der Schriftenreihe zur Familienforschung in Neustadt (Hessen) erschienen ist. in der Seite „Dokumente“ aufgeführt ist.

Hausnamen wurden nach Hohmann meistens aus einem der folgenden Merkmale abgeleitet:
– Ruf- oder Vorname
– Familienname (Geschlechtsname)
– Stand oder Beruf
– Herkunft oder Wohnstätte
– sog. „Übernamen“
Die nachstehende Broschüre zeigt Beispiele für diese Typen anhand der Neustädter Familien auf. Im Anhang findet der Leser ein alphabetische Aufstellung über alle Neustädter Hausnamen. Insgesamt sind zu diesem Thema Neustädter Hausnamen mehrere Veröffentlichungen geschrieben.  Einige Aufsätze greifen dabei auch das Thema Wohnsitze auf. 

Die Neustädter Hausnamen - Ein Beitrag zur Namensforschung in Neustadt (Hessen) gesammelt von Herbert Hohmann +

Autor:  Herbert Hohmann
Nachdruck: Joachim Ruhl
Versions-Nr. 1.0
Anzahl Seiten: 26
Sprache: deutsch
Erscheinungsjahr: 1982-2021
Archiv-Nr: